Deutscher Aufschwung: Schon vor dem Start wieder im Landemodus?

Blickt man derzeit in die Tageszeitungen, fällt es einem schwer, an den Aufschwung in Deutschland zu glauben: kein Bürokratie-, dafür aber Stellenabbau, geringere staatliche Investitionen als bei der Grundgesetzänderung vorgesehen, Streit in der Koalition usw.
Nach vier Jahren wirtschaftlicher Stagnation kann man verstehen, wenn den wirtschaftlichen Beobachtern die Zuversicht abhandengekommen ist. Die überwiegend negative Berichterstattung tut ihr übriges. Nur sollte man es mit dem Pessimismus nicht übertreiben. In den nächsten Jahren wird Deutschland kräftig investieren: in Rüstung und in Infrastruktur. Ja, nicht in dem Umfang, wie es bei der Verabschiedung der Reform der Schuldenbremse angedacht war, aber eben doch erheblich mehr als in den vergangenen Jahren. Das sollte zahlreichen Industrieunternehmen, und natürlich dem Bausektor, ordentlich Rückenwind geben. Tatsächlich steigen aber auch die übrigen Ausgaben des Staates ganz erheblich an. Das wiederum mag ordnungspolitisch bedenklich sein, hilft der Wirtschaft aber trotzdem. Ähnlich steht es um die teilweise Übernahme des Netzentgeltes durch den Staat. Dies hilft insbesondere den Unternehmen der energieintensiven Branchen. Und dann ist da noch die Künstliche Intelligenz, von deren rasanten Entwicklung bisher vor allem US-Tech-Unternehmen profitiert haben. Alle Erfahrung lehrt, dass davon zukünftig insbesondere die Nutzer profitieren sollten. Gerade für die zahlreichen hidden champions in Deutschland tun sich hier große Chancen auf, die Kosten zu senken, die Produkte kundenspezifischer zu gestalten und den Vertrieb zu verstärken.
Also gar keine so schlechten Aussichten.
Was heißt das für den Anleger?
Für europäische Investoren hat sich die starke Gewichtung von US-Aktien, die sich durch die beeindruckenden Kursgewinne der letzten Jahre etabliert hatte, in diesem Jahr als eher ungünstig herausgestellt. Ein wesentlicher Faktor dabei ist die Schwäche des US-Dollars. Vor dem Hintergrund, dass wir von einer Fortsetzung der Dollarschwäche ausgehen, erscheint es sinnvoll, europäische Titel wieder stärker ins Portfolio zu integrieren. Dennoch sollte man die USA nicht vorschnell ausklammern – insbesondere angesichts der aktuellen Führungsrolle ihrer Tech-Konzerne. Europäische und vor allem deutsche Werte können hier aber noch kräftig aufholen.

Newsletter vom 24. September 2025
Dr. Martin Moryson – Chefvolkswirt Europa
DWS
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