Fragwürdiger Zoll-Deal zugunsten der USA
Es wurde in den vergangenen Tagen ja bereits viel über die Einigung der EU im Zollstreit mit den USA geschrieben, aber die Tragweite dieser Entscheidung benötigt meines Erachtens eine ausführliche Nachlese – zumal an der Börse keine Begeisterung zu verspüren und der Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal real ist. Es kam, wie es kommen musste: Frau von der Leyen hat sich von Trump am Nasenring über den Golfplatz ziehen lassen. Verhandlungsführung ist seine Stärke, aber leider keine Qualifikation der EU. Es läuft fast immer nach dem gleichen Muster ab, Trump kritisiert ein vermeintliches Problem, stellt erst einmal unverschämte Forderungen, diktiert dann Spielregeln und setzt eine Frist. Dann lässt er die Gegenseite schmoren, um kurz vor Fristablauf das Ergebnis zu diktieren. Nicht ganz so schlimm, wie angekündigt, aber immer noch eindeutig zu seinen Gunsten. Aus 30 Prozent Zoll wurden „nur“ 15 Prozent für die meisten EU-Importe in die USA.
Aus den USA hingegen sollen Waren, insbesondere Autos, künftig zollfrei in die EU importiert werden können. Nicht umsonst hagelt es bereits Kritik aus Wirtschaft und Verbänden, die von einer ungeheuren Mehrbelastung für deutsche/europäische Unternehmen sprechen. Fragwürdig sind zudem Vereinbarungen über eine Abnahmeverpflichtung für fossile US-Energie in Höhe von 750 Mrd. US-Dollar und Investitionszusagen der EU über 600 Mrd.US-Dollar in den kommenden Jahren. Die Botschaft ist klar: Die Europäer finanzieren die Steuererleichterungen und Schuldentilgungen der USA und sorgen zusätzlich für neue Arbeitsplätze und Wertschöpfung jenseits des großen Teiches. Eine realistische Einschätzung zum Deal kam prompt aus Paris: Der französische Premierminister François Bayrou übte scharfe Kritik an der Zoll-Einigung und sprach für die EU auf X von einem „schwarzen Tag, wenn ein Bündnis freier Völker […] beschließt, sich zu unterwerfen.“
Zu den wenigen anfangs noch lobenden Stimmen zum fragwürdigen Deal gehörte ausgerechnet Bundeskanzler Friedrich Merz. „Mr. Blackrock“ hat zwar einen Koffer in Berlin, aber im Herzen bleibt er Transatlantiker. Doch seine spätere Einschätzung „Die deutsche Wirtschaft wird erheblichen Schaden nehmen durch diese Zölle“, könnte noch untertrieben sein. Nach Volkswagen bereits am Freitag hat nun auch Mercedes-Benz heute eine Gewinnwarnung veröffentlicht. Das Konzernergebnis brach im ersten Halbjahr 2025 um mehr als die Hälfte ein. Und das dürfte nicht die letzte Hiobsbotschaft in der Automobilbranche gewesen sein.
Die europäischen Aktienmärkte reagierten am Montag zunächst erleichtert, dann aber verschnupft. Der DAX fiel im Tagesverlauf unter die wichtige Marke von 24.000 Zählern, konnte sich aber am Dienstag etwas erholen. Nach einer kraftloseren Wall Street gestern, neigt er auch heute wieder zur Schwäche.


Newsletter vom 9. Juli 2025
Martin Braun, Börse Hannover
