So weit, so gut, aber wie geht es weiter?

Dr. Martin Moryson

Die Kapitalmärkte haben sich in den ersten Monaten des Jahres von ihrer freundlichen Seite gezeigt – und das trotz mäßigem Wachstums und nur langsam sinkender Inflation. Auch auf Sicht der kommenden zwölf Monate gehen wir davon aus, dass ungeachtet aller Gegenwinde sowohl auf der Aktien- als auch auf der Rentenseite ordentliche Gewinne erzielt werden können.

Bei unserem jüngsten CIO Day, in dessen Rahmen wir einmal im Quartal unsere Prognosen für die kommenden zwölf Monate erstellen, haben wir unseren Ausblick auf die Märkte aktualisiert. Was können die Anleger erwarten? Zunächst einmal rechnen wir mit einem eher verhaltenen Wachstum: In den USA gehen wir von einer milden Rezession aus, die im dritten Quartal ihren Tiefpunkt haben dürfte, gefolgt von einer ebenso schwachen Erholung. In Europa erwarten wir keine Rezession, aber auch keinen Aufschwung. Im Gegenteil: Waren wir im vergangenen Jahr weitaus zuversichtlicher für die deutsche und europäische Wirtschaft, so sind wir jetzt etwas skeptischer als viele andere Prognostiker.

Ganz offensichtlich haben die Krisen der jüngsten Zeit ihre Opfer gefordert. Obwohl das Wachstum schwach ist, produzieren die Unternehmen am Limit mit der Folge, dass Arbeitskräfte knapp sind und Löhne und Preise kräftig steigen. Um eine drohende Preis-Lohn-Spirale abzuwenden, werden die Zentralbanken die Zinsen weiter erhöhen müssen, etwa in Richtung 5,5 Prozent in den USA und 4 Prozent in der Eurozone. Und noch viel wichtiger: Wir erwarten in diesem Jahr keine Zinssenkungen – weder von der Fed, noch von der EZB.

Wenn wir unsere Marktprognosen für Mitte kommenden Jahres abgeben, müssen wir uns vor allem fragen: Wie schauen die Märkte dann in die Zukunft? Nun, die Rezession in den USA sollte dann hinter uns liegen, erste Schritte in Richtung einer geldpolitischen Normalisierung sollten gegangen sein. Das spricht für leicht steigende US-Renditen am langen Ende, und leicht sinkende am kurzen Ende, so dass wir wieder von einer positiv geneigten Zinsstrukturkurve ausgehen. Ein ähnliches Bild, aber auf niedrigerem Niveau, erwarten wir in Europa. So sollte die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen bei rund 2,8 Prozent stehen. Unternehmensanleihen, insbesondere Hochzinsanleihen, haben ein deutlich höheres Ertragspotenzial. Dies liegt daran, dass man einerseits die höheren Zinsen vereinnahmen und sogar noch von sinkenden Spreads profitieren kann und andererseits die Ausfälle überschaubar bleiben sollten. Schließlich erwarten wir keine schwere Rezession, die reihenweise Kreditausfälle nach sich ziehen würde.

Bei den Aktien sind wir ebenfalls recht optimistisch – außer für die USA. Mit steigenden Renditen in den USA könnten die Bewertungen unter Druck kommen. Für Europa, Japan und Schwellenländer, insbesondere in Asien, sind wir optimistischer. Hier könnten sich die hohen Bewertungsabschläge noch weiter verringern.

Alles in allem sind das gute Aussichten, wobei die Anleihenmärkte endlich wieder Potenzial für Diversifikation bieten. Das sollte man auch nutzen, denn die Unsicherheit ist so groß wie nie.

Newsletter vom 07. Juni 2023

Dr. Martin Moryson – Chefvolkswirt Europa
DWS

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